Tag X
Urbane Künste Ruhr, 2019
Haus der Statistik Berlin, 2019
Schirn Frankfurt/Main, 2020
Zeppelinmuseum Friedrichshafen, 2021
steirischer herbst Graz, 2022
Henrike Naumann eröffnet mit Tag X eine merkwürdige Gedenkstätte im Haus der Statistik. Ausgestellt ist ein Video, in dem sich ein anonymer Zeitzeuge an einen politischen Umsturz in Deutschland erinnert. Die Bilder zeigen Demonstrationen und Gewalt auf dem Berliner Alexanderplatz. Im Verlauf des Videos verschwimmen die Ereignisse. Geht es um 1989 oder um 2019? Wurde der Sozialismus besiegt, oder mit einer rechten Revolution ein neuer Staat errichtet?
Hintergrund der Arbeit sind 2018 bekannt gewordene Prepper-Netzwerke, welche sich auf einen gewaltsamen Systemwechsel in Deutschland vorbereiten und Verbindungen zu Polizei, Bundeswehr und Verfassungsschutz unterhalten. Naumann thematisiert diese Geschehnisse anlässlich des 30. Jahrestags des Mauerfalls in einem dystopischen Szenario rechter Umsturzphantasien. Wohnaccessoires und Designklassiker werden zu Waffen, mit denen am Tag X in Deutschland jeder mitkämpfen kann.
Der Anstoß zu meiner Arbeit kam durch die Entdeckung des sogenannten Nordkreuz-Netzwerks im Jahr 2018, das sich ganz konkret auf einen Tag X und den Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung in der Bundesrepublik vorbereitet hat, inklusive Todeslisten und Munitionslagern. In der Gruppe waren neben ehemaligen SEK-Beamten und Bundeswehrangehörigen auch Anwälte, Ärzte, Ingenieure – alles Menschen, die eine gesicherte Existenz in Deutschland haben. Es hat mich interessiert, dass sich Leute aus einer privilegierten Position heraus radikalisieren und Staatsbedienstete an der Abschaffung des Systems arbeiten.
Interview von Marc Schwietring: Die ›Erfolgsgeschichte Einheit‹ ist ambivalent, in: Jungle World, 47–/2019, 21.11.2019