The Museum of Trance
mit Bastian Hagedorn
Ghetto Biennale
Port-au-Prince, Haiti 2015
Als unser Konzept für die 4. Ghetto-Biennale 2015 in Haiti haben wir das Museum of Trance in Port-au-Prince eingerichtet, ein unfertiges, teilweise fiktives Museum zur Geschichte des elektronischen Musikgenres Trance in Deutschland. Der Aufbau der Ausstellung war inspiriert von europäischen ethnologischen Ausstellungen über haitianischen Vodou. Das Museum war unvollendet, als hätten die Investoren ihr Interesse verloren, bevor es fertiggestellt wurde. Daher war das Museum offen für die Erkundung und Übernahme durch die lokalen Künstler_innen und Musiker_innen aus Port-au-Prince.
Der konzeptionelle Ausgangspunkt war das Interesse an der Vodou-Musik und -Trommeln und an den Trancezuständen, in die Menschen beim Praktizieren von Vodou geraten. Dieses harte, schnelle und sphärische neue Genre versuchte, eine ekstatische Spiritualität einzufangen, die sonst in Westeuropa, besonders in Deutschland, selten ist. Aber in den frühen 90er Jahren entwickelte sich die Trance-Musik aus der Rave-Musik und dem Acid-Techno. Dieses harte, schnelle und sphärische neue Genre versuchte, eine ekstatische Spiritualität einzufangen, die sonst in Westeuropa, besonders in Deutschland, sehr selten ist. Wir wollten sehen, was passiert, wenn der haitianische spirituelle Trance auf die deutsche Trance-Musikkultur prallt.
Ziel war, die Repräsentation der haitianischen Kultur in deutschen Museen diskutieren, indem wir die deutsche Rave-Kultur exotisierten und sie als ,das Andere‘ inmitten Haitis musealisierten. Die traditionelle Institution ,Ethnologisches Museum‘ wurde von den lokalen Künstlern und Musikern angeeignet, dekonstruiert und neu interpretiert. Das Museum verwandelte sich in einen postkolonialen experimentellen Spielplatz.
Techno Worlds
Tourneeausstellung, 2021
Musikgeschichtlich wird Trance zumeist als ein speziell deutsches Phänomen der Techno-Kultur hergeleitet – dem gegenüber stehen die interkulturellen und internationalen Bedingungen, unter sich denen das Genre sich als eigenständiger Musikstil durchsetzte. Während sich Techno strenger auf die industrialisierte, maschinisierte Gesellschaft als futuristisches Element, sowie auf die fesselnde Kraft des daraus abgeleiteten Sounds bezog, richtete sich der Fokus im Trance auf die hypnotischen Potenziale urzeitlicher musikalischer Rituale und deren Fortbestand in den Musikpraxen heutiger indigener Kulturen. Dieser damalige Anspruch muss bei der Rezeption des Genres Trance im Kontext kultureller Aneignung musikalischer Stile kritisch hervorgehoben werden. Zeitgleich stellt sich die Frage, inwieweit Rituale der Spiritualität in einer hoch technisierten Gesellschaft abhandenkommen, in welcher Form Musik dabei als Substitut wirken und ob der explizite Einsatz neuer Technologien eine Rückeroberung sogar ermöglichen kann.
2015 eröffneten die Künstler_innen Bastian Hagedorn und Henrike Naumann das Museum of Trance in Port-au-Prince (Haiti), in dem sie deutsche Rave-Kultur exotisierten, um es als das ,Andere‘ inmitten von Haiti zu musealisieren. Die neue multimediale Arbeit Museum of Trance (2021) führt jene Überlegungen zu Spiritualität, Rave-Kultur, Exotismus und Otherness weiter. Die Videoarbeit begleitet ein junges Forscher_innenteam bei der Wiederentdeckung der Trance-Kultur in und um Berlin. Für die Rekonstruktion des Phänomens setzen die Forscher_innen archäologische Methoden und Praxen des Reenactments ein. Gefesselt von den gesammelten Erkenntnissen setzen sie die Puzzlestücke zusammen und schließen mit diesen auf ein urzeitliches Ritual um die Geister der Vergangenheit wiederzubeleben. In dem Video verschwimmen die Ebenen und überlagern sich die Referenzen; suchen die Forscher_innen nach germanischen Relikten und altertümlichen Belegen für die Ursprünge von Trance, oder handelt es sich um eine Rekonstruktion des Trance der 90er?
Ghetto Biennale / Atis Rezistans
documenta fifteen Kassel, 2022
Das Museum of Trance ist eine fiktive Institution, die das Phänomen der Klangkultur des deutschen Musikgenres Trance der 90er Jahre erforscht. Um die Orgel herum gebaut, das zentrale Instrument der gottesdienstlichen Zeremonien, verbindet die Arbeit, die Strukturelemente der ethnographischen Historisierung und der Museologie kultureller Formationen. St. Kunigundis befindet sich in unmittelbarer Nähe des legendären Clubs ‚Stammheim‘ (1996), der bis 1994 ‚Aufschwung Ost‘ hieß. In der Kirche waren die Techno-Beats während der Sonntagsgottesdienste zu hören. Die Trance-Orgel verbindet diese verschiedenen spirituellen Sphären – als ob die Beats immer noch dröhnen würden.
Documenta-Beitrag ist Ausstellung des Jahres 2022
verliehen von der deutschen Sektion der AICA (Association Internationale des Critiques d’Art)
Interview – Deutschlandfunk Kultur (ab Minute 02:50)
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