Triangular Stories
Diplomarbeit, 2012
Beide Homevideos tragen das gleiche Datum. Beide Videos geben Intimes preis aus dem Leben dreier Teenager. Während die Einen kaum erwarten können, im Amnesia das erste Mal Ecstasy zu nehmen, hört für die Anderen die Welt hinter Jenas Plattenbauten auf.
Die Künstlerin Henrike Naumann (Jahrgang 1984) stammt aus Zwickau, wo Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos als ‚Nationalsozialistischer Untergrund‘ (NSU) unentdeckt im bürgerlichen Untergrund lebten und ihre rechtsterroristischen Morde planten. Die Videoarbeit ist für sie eine persönliche Auseinandersetzung sowohl mit den faschistischen Tendenzen in ihrer alten ‚Heimat‘ als auch mit dem hedonistischen Selbstoptimierungstrieb ihrer Generation. Das Medium Video Home System (VHS) wird in seiner Vergänglichkeit zum Spiegel dieser Generation.
Die beiden Videos laufen im VHS-Loop auf zwei Fernsehern, eingebettet in Ausschnitte aus den Sets, in welchen die Filme gedreht wurden. Die Sets werden in zwei gegenüberliegenden Ecken eines Raumes aufgebaut. Die Arbeit wird auf die Gegebenheiten angepasst, und kann so in jedem Raum eine ganz neue Wirkung entfalten.
Ihre Installationen will Henrike Naumann nicht als eine Ost-West-Gegenüberstellung verstanden wissen. Sie arbeite vielmehr mit Ambivalenzen und damit, „dass ich keine Antworten anbiete, sondern die Fragen, die uns beschäftigen, auf eine neue Weise stelle und anders erfahrbar mache. Meine Rolle ist es nicht, einfache Antworten zu geben, sondern schwierige Fragen zu stellen.“ Sie sehe es nicht als ihre Aufgabe an, die ostdeutsche Seele zu erklären, betont Naumann. Das sei absurd, denn das könne sie gar nicht, und ebenso wenig gehe es ihr um eine ostdeutsche Identitätspolitik. „Mir geht es darum zu sagen, es gibt unterschiedliche Realitäten in Deutschland.“ Dabei sei eine ostdeutsche Prägung, wie sie sie auch habe, eine von vielen Realitäten.
Gesa Ufer: Die Künstlerin Henrike Naumann – Neonazismus und Partyrausch, Deutschlandfunk Kultur, 2019